Die Frankfurter Börse hat im Laufe der letzten zehn Jahre sehr an Farbe gewonnen, seit der Finanzjournalist Mick Knauff als Chef-Korrespondent aktuelle Finanzthemen und DAX-Werte kompetent und in direkter, verständlicher Sprache bei diversen Nachrichtensendern und Portalen vermittelt. Seine fast täglichen TV-Schaltungen aus dem Alten Handelssaal der Frankfurter Wertpapierbörse zeigen nicht nur seine Kenntnis der internationalen Finanzwelt, sondern zeigen auch seine Leidenschaft für die Börse – und für ausgefallene Mode.

ÜBER DIE BÖRSE UND ANDERE LEIDENSCHAFTEN
FASHION GUIDE traf Mick Knauff an seinem Arbeitsplatz in der Frankfurter Börse und stellte ihm nicht nur finanzwirtschaftliche, sondern auch ganz persönliche Fragen, die er kompetent, nonchalant und offen beantwortete. Zuvor bekam FASHION GUIDE die Gelegenheit, ein wenig Nostalgie aus der alten Börsenzeit zu erleben. Nach der Neugestaltung des Alten Handelssaales, der sich jetzt in einem modernen Design zeigt, sind die kleinen, schalldichten und fensterlosen Kabinen geblieben, in denen früher Händler und Makler ihre Börsengeschäfte erledigten. Sogar die alten, schön grünen Wand- und Tischtelefone aus den 50er Jahren sind noch vorhanden. Heute kaum vorstellbar, wo ein Blick auf die Bildschirme ausreicht, die Börsenaktivitäten in der ganzen Welt zu beobachten und auf Veränderungen blitzschnell zu reagieren.

Der Arbeitsplatz von Mick Knauff in seinem Büro ist zwar etwas größer, doch auch ganz ohne Tageslicht. Dass er jede Gelegenheit nutzt, nach draußen ans Licht zu gehen, ist verständlich. Sofort ins Auge fallen Krawatten auf der Stange – zigfach in verschiedenen Farben und Mustern. Einige Anzüge hängen parat, wenn spontane Auftritte vor der Kamera oder abendliche Veranstaltungen anstehen. Auf die Frage, warum er so häufig bei Unternehmenspräsentationen oder Neueröffnungen anwesend ist (also sehr medienpräsent), gibt er zu, dass es ihm Spaß mache, aber dass dieses auch ein Teil seiner Arbeit ist: „Ich verbinde bei dieser Gelegenheit in der Tat Freizeit und Börse; es ist eine wichtige Informationsquelle. Ein wenig Klatsch und Tratsch, sicher, ich höre aber auch, was sich aktuell in den Unternehmen tut, gibt es neue StartUps, neue Analysten, wie ist das aktuelle Anlegerverhalten – letztlich hat alles ein wenig mit Börse zu tun.“

Natürlich kommen wir auf Micks Outfit zu sprechen. Er mag es aufzufallen, mit dem Nebeneffekt, dass die Menschen direkt auf ihn zugehen. Ob die Kollegen sein Modeimage gut finden? „Ich würde mal so sagen – sie lassen mich gewähren. Solange meine Berichterstattung nicht darunter leidet. Und die mache ich ja nicht als ‚bunter Vogel‘, sondern seriös und korrekt.“ Im Handelssaal ist zwar kein Dresscode vorgeschrieben (auch wenn die Börse das gern gesehen hätte), aber in den Banken ist dieser nach wie vor sehr streng. Neben den schwarzen und dunkelblauen Anzügen herrscht ein gewisser Krawattenkodex, an dem man nach Micks Meinung die Position in der Bank gut erkennen kann. „Breite, bunte Streifen oder gar Blümchen – das geht gar nicht. Wer sich anzieht, wie er möchte, muss einen relativ guten Stand und Status in der Bank haben. Entweder ist er für PR zuständig, oder hat sich als Fondsmanager verdient gemacht.“

Nach diesem Ausflug in die Modewelt wollen wir natürlich auch von ihm mehr über das Börsengeschäft und seine Tätigkeit erfahren. Ein Laie kann sich darunter wenig vorstellen. Vor allem die Abhängigkeiten im internationalen Geschäft sind doch eher verwirrend. Wie behält man bei diesen unterschiedlichen Entwicklungen den richtigen Überblick?

„Wir orientieren uns an gewissen stehenden Terminen, zum Beispiel an dem neuen Arbeitsmarktbericht in Amerika, um zu schauen, wie viele Menschen sind in Beschäftigung, wie viele neue Stellen wurden geschaffen, wie sehen Konjunktur und Wirtschaft aktuell aus. Im Vorfeld dieser Zahlen hält sich die Börse meistens zurück, es gibt nur leichte Aufschläge oder Abschläge. Bevor die Zahlen nicht auf dem Tisch liegen, sehen Sie auch keine Bewegung, keine großartigen Abkäufe, aber auch keine Zukäufe. Diese feststehenden Tages- und Wochentermine sind bekannt, und Sie wissen, welcher von den Terminen für Sie wie wichtig ist. In Deutschland ist es zum Beispiel der Geschäftsklima-Index, bei dem Sie erfahren, wie ist der Tenor der rund 7.000 Entscheider, die da gefragt werden. So erfährt man, ob man da positiv oder negativ gestimmt ist. Die Börse handelt nie etwas, was in der Vergangenheit liegt, sondern es ist immer ein Ausblick in die Zukunft.“

In der Börse findet also weitgehend eine Reaktion auf diese Zahlen statt, während Prognosen nur selten möglich sind. Inzwischen hat die Börse sich auf unerwartete Ereignisse, wie Terror und Kriege, eingestellt. Spätestens seit Paris weiß man, dass diese Dinge plötzlich passieren können. „Gewisse Dinge, Sondereffekte wie Terror, sind in den Kursen mittlerweile „eingepreist“ für den Fall, dass …. Man weiß leider, dass etwas „passieren“ kann, darauf ist die Börse inzwischen eingestellt. Darum fallen Veränderungen, die in diesem Zusammenhang stehen, oftmals schwächer aus als erwartet.“

Der DAX (Deutscher Aktienindex) ist der wichtigste deutsche Aktienindex, der die Entwicklung von 30 deutschen Unternehmen widerspiegelt. Vertreten sind in diesen notierten Unternehmen lediglich 20 Branchen in 7 Bundesländern; sind diese wirklich repräsentativ für die deutsche Wirtschaft? Davon ist Mick Knauff überzeugt: „Ja, das sind sie wirklich. Es handelt sich um die 30 größten Unternehmen Deutschlands, die national und international die größten Umsätze tätigen und die größten Marktkapitalisierungen haben. Denken Sie nur an die Automobilindustrie oder den Pharma-Bereich – hier sind die Firmen vertreten, die alle international arbeiten. Da wir keine Rohstoffe haben, basiert unsere Wirtschaftskraft auf unserem KnowHow und der Ingenieurskunst. Und das haben wir natürlich in den letzten Jahren massiv nach oben getrieben. Was ich bedauere ist, dass die Deutschen unsere Stärken gar nicht zu schätzen wissen – das Ausland sieht das ganz anders. Die Asiaten, Araber und Amerikaner sind die Hauptanleger, nicht die Deutschen. Sie haben keine Aktienkultur und vertrauen mehr herkömmlichen, sicheren Anlagen, wie z.B. Immobilien, als den Aktien der DAX-Unternehmen“.

Bei der Frage, wie lege ich mein Geld am besten an, wie sorge ich für das Alter vor, gibt Mick Knauff die Empfehlung, in jungen Jahren eine Immobilie als sichere Anlage zu erwerben. Er stellt fest, dass gerade die jungen Leute im Alter zwischen 20 und 25 ein großes Interesse dafür zeigen, wie sie rechtzeitig Kapital aufbauen. „Sie wissen, dass sie nie mehr eine großartig Rente bekommen werden – das Thema ist durch. Entweder haben sie im Laufe des Lebens Geld erworben, erben etwas, oder sie haben sich eine Immobilie gekauft. Für mich ist das der erste Schritt der Geldanlage. Danach kommt es darauf an, sein Geld vernünftig anzulegen, entweder mit Spar- oder Fondsplänen oder auch mit eigenen Portfolios.“ Diese Altersgruppe habe übrigens bei ihm den höchsten Anteil an Nachfragen, wohingegen die Altersgruppe zwischen 35-45 eher eine Grauzone darstelle, erst ab 45-50 beschäftige man sich intensiv mit den Anlagemöglichkeiten. Ob sich die Politik mehr mit diesem Verhalten beschäftigten sollte, dazu meint Mick ganz lapidar: „Die Politik interessiert sich gar nicht für die Börsenentwicklung“ und „Politiker können nicht mit Geld umgehen. Der wichtige Aspekt Politik und Wirtschaft wird an der Börse viel zu wenig beachtet“. Das lassen wir einfach mal so stehen, viele werden dem wohl insgeheim zustimmen.

Womit wir zu einem aktuellen Thema kommen. Uns interessiert, ob der hohe Flüchtlingsstrom Auswirkungen auf die Börse hat. „Nicht direkt auf die Börse“, meint Mick, „aber vielleicht auf die Unternehmen, die börsennotiert sind. Einige Vorstände haben sich bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt. Bevor aber ein Flüchtling tatsächlich soweit ist, um in Deutschland, z.B. bei BASF oder Bayer, arbeiten zu können, braucht es an die 10-15 Jahre.“ Bis dahin ist noch viel Integrationsarbeit zu leisten, und ob wir in der Zwischenzeit auch von den Flüchtlingen lernen können, zum Beispiel zum Thema Familienzusammenhalt, ist fraglich. Wir sehen bei den türkischen Familien, die schon viele Jahre hier sind, dass deren Familienbild nicht auf uns abgefärbt hat. Der Zusammenhalt in den deutschen Familien war früher auch anders als heute. „Das liegt aber nicht an der Nationalität oder Mentalität, sondern an der Tatsache, dass oft beide Elternteile berufstätig sind, häufig sogar in mehreren Jobs, und die Kinder früher selbständig werden.“ Welche Folgen – positiv oder negativ – der Zuzug von Flüchtlingen auf unsere Gesellschaft hat, bleibt abzuwarten.

MICK KNAUFF: GANZ PERSÖNLICH

Seit zehn Jahren lebt Mick Knauff in Frankfurt und fühlt sich hier wohl. „Ich komme gut mit den Hessen zurecht. Die Hessen haben eine schöne Kultur, auch beim Essen und Trinken. Der Fußball ist ähnlich wie der Kölner, nämlich schwankungsanfällig.“ Und zur Mode in Frankfurt: „Frankfurt könnte etwas modischer und mutiger sein, gerade bei den Herren. Ich glaube, die Damen machen schon einiges aus sich, aber die Herren laufen massiv den Trends hinterher. Da geht noch was. Dass Frankfurt zu wenig Glamour oder Promi-Dichte hat, liegt auch an den Medienstandorten – in Köln und München sind eben die großen Sender, auch Privatsender, vertreten. Und die Modemessen finden in Düsseldorf und Berlin statt.“ Leider gibt es auch nur wenige wirklich glamouröse Ereignisse, wie gerade aktuell der Frühlingsball. Aber damit hat sich das Thema „Glamour in Frankfurt“ leider fast erschöpft.

Mick Knauff ist ein unerschöpflicher Quell an Wissen, Geschehnissen und Anekdoten rund um die Börse. Ein Gesprächspartner, den man an verschiedenen Stellen „anzapfen“ kann und dem man gern zuhört. Und das nicht nur über Börse. Wir haben die Gelegenheit genutzt, ihm ein paar persönliche Fragen zu stellen. So erfahren wir, dass seine einzige Modesünde im Leben weiße Tennissocken in schwarzen Schuhen waren, dass er ein „Westenfetischist“ ist und sehr, sehr gerne Schuhe putzt, denn nichts entspannt ihn mehr als Schuheputzen. Er sammelt und trägt verrückte Manschettenknöpfe und hat seine Mode-Vorbilder aus alten Mafia-Filmen, insbesondere wegen der schönen Anzüge, tollen Krawatten und der Accessoires. Zu Hause trägt er gern schwarz und Armeehosen mit vielen Taschen.

Sein größtes Talent ist es „mit unbekannten Situationen relativ gut umgehen zu können.“ Seine besondere Stärke ist sicherlich seine Leidenschaft für die Börse, nach seinen Schwächen befragt, hören wir von seiner weiteren Leidenschaft: „Meine größte Leidenschaft ist meine Eitelkeit.“ Wir bezweifeln es, dieses als Schwäche anzusehen, es sei denn, es würde übertrieben, aber wir glauben es Mick, dass er großen Wert darauf legt, sein Outfit sorgfältig auszuwählen: „Es muss harmonisch sein, und es muss alles zusammenpassen.“ (Schade, dass wir keinen Blick in seinen Kleider- und Schuhschrank werfen können.)

Irgendwann will Mick Knauff sich seinen Traum einer Weltreise erfüllen. In den letzten zehn Jahren hat er insgesamt drei Wochen Urlaub gemacht. Für jemanden, der süchtig nach Börse ist, wird es schwer, sich einige Wochen aus dem Geschehen auszuklinken, aber er würde gern durch die Welt reisen. Möglichst noch vor der Rente, denn diese sieht er erst mit 70 oder 75. Bei der Börse sei es ja so, dass man mit zunehmenden Alter „mehr Weisheit“ annimmt, und das kann nur positiv sein. Vorher schreibt er ein Buch – natürlich über die Börse, und das wird sicher unterhaltsam sein und leichtere Kost, als man es von anderen Börsianern kennt. Bis dahin hoffen wir, ihn noch sehr oft als „bunten Vogel“ auf dem Börsenparkett und in der Frankfurter Szene zu sehen.

Herzlichen Dank für die vielen Einblicke in das Börsengeschehen und das unterhaltsame Gespräch. (hb)
Fotos: Sven Krohn

www.mickknauff.de

SPRING AUSGABE 2016

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